Die unbekannte aus dem Osten, die Kiev 2/3
Zeiss Ikon baute 1932 die legendäre Contax I. Zu der Konkurrenz der Leica II war die Contax nicht nur besser ausgestattet, sie war auch hochwertiger und teurer als die Leica. 1936 folgte die verbesserte Version der Contax. Die Contax II sowie die Contax III mit einem verbauten aber nicht gekuppelten Selenbelichtungsmesser. Die Contax war bis zu dieser Zeit ein Luxusprodukt! Leica hingegen vermarktete ihre Kamera auf einem unteren Preisniveau. 1940 wurde die deutsche Wirtschaft auf Kriegswirtschaft umgestellt. ZI durfte nur noch Sonderserien bauen. Die Contax wurde um 1942 noch angeboten, wobei die Produktion auf Kriegsgüter stand. 1945 endete die Produktion mit der Demontage und Deportation des Zeiss Ikon Werkes in Dresden. Allerdings konnte für die Reparationsforderungen auf Grund einiger Transportverluste nicht erfüllt werden.
Die Kiev 3a von 1954. Das "a" steht für den Blitzanschluss und diese Version war keine Exportkamera.
1946 wurde im Werk Carl Zeiss Jena die fehlenden Werkzeuge sowie Maschinen erneut angefertigt. Einige Produktionsprozesse waren hier weniger filigran oder ausgeprägter, sodass die hergestellte Kamera etwas vom ursprünglichen Typ abwich. In den Stanzprozessen der Schaltwerksabdeckungen sowie in der preiswerteren Belederung waren leichte Qualitätsunterschiede zu der Contax von 1936 offensichtlich. 1946 wurde die Contax in Saalfeld in sehr kleinen Stückzahlen produziert. Die Produktion diente der Werkzeugerprobung und zugleich der Erfolg um letztlich im selben Jahr die Kamera in Kiev fertigen zu lassen. Die Namensgebung „Kiev“ in kyrillischer Schrift zierte ab 1947 die Schaltwerksabdeckung. Um das Produktionsjahr 1954/55 änderte sich der Schriftzug in kyrillischer Schreibschrift sowie darunter in lateinischen Lettern. Die als Kiev 2 und 3 bezeichneten Kameratypen waren bis auf wenige Details baugleich mit der Contax II/III. Die Qualität war bis zu der Umstellung der Kiev 4 auf einem westlichen Niveau. Man kann durchaus behaupten, dass die Kiev 2/3 bis gegen Ende 1960 keine Kopie der Contax war, sondern eine Weiterführung der Produktion der Contax II/III von 1936.
Das Modell von 1955. Der Schriftzug ist hier schon anders wie auch die Prägung auf dem Zubehörschuh.
Die Kiev 2a in einer farblichen eigenen Edition mit blauer Belederung. Die kyrillischer Schreibschrift in schwarz unterlegt in blauen latinischen Buchstaben.
Diese Kiev 2a wurde komplett überholt und so von mir abgestimmt. Als eine zusätzliche Erweiterung wurde ein Kodalux L umgebaut, der sich harmonisch zu der Kamera ergänzt.
Die Kiev 4 als Nachfolgemodell wurde etwas abgewandelt. Einmal fehlte der nützliche klappbare Standfuß, die Stellrädchen und der Belichtungsmesser wurde von der Contax IIa/IIIa kopiert. Diese Kiev wurde mehr an die westliche Contax IIa/IIIa angelehnt. Dabei war die Grundkonstruktion immer noch der der Contax von 1936. Es folgte um 1970 noch einmal eine Überarbeitung. Die Modelle Kiev 4M und Kiev 4AM wurden bis 1987 gefertigt. Die Änderungen bezogen sich ebenfalls auf die Stellrädchen die jetzt etwas moderner wirkten.
Die Werkzeugmaschinen waren hier schon ab der Demontage in Dresden mehr als 40 Jahre im Betrieb. Also eine doch recht lange Standzeit für Fertigungsmaschinen. Würde man die Zeit der noch vorhandenen Maschinen vor 1946 dazu rechnen, kämen noch einmal mehr als zehn Jahre hinzu. Man kann davon ausgehen, dass nur die nötigsten Instandsetzungen der Werkzeugmaschinen getätigt wurden. Ein Grund mehr sich die letzten Modelle genauer anzusehen.
Die Qualitätsschwankungen der Kiev 2/3 waren noch moderat und unterlagen mehr dem Zustand der Mitarbeiter und deren Möglichkeit das Material zu verarbeiten. Denn das war nicht immer in der geforderten Qualität auf Lager. Letztlich wurde ein Fehler schnell mit Zwangsarbeit in Sibirien geahndet. Allerdings gab es den Fünfjahresplan und dieser hielt sich mehr an Stückzahlen als an funktionierenden Produkten. Wen soll es da verwundern, man packt eine Kamera aus und es fehlt etwas oder die ganze Kamera funktioniert nicht weil sie einfach falsch moniert wurde.
Auffällig bei den späteren Modellen ist deren Genauigkeit. Diese sind wie ich meine etwas „klapprig“ und weniger genau gefertigt. Das wird einmal dann deutlich, wenn man eine gut erhaltene Kiev 3 in den Händen hält. Von Grund auf sind die früheren Modelle besser gefertigt. Es sollte also einem nicht verwundern, wenn eine Kiev 3 von 1954 genauer arbeitet als die späteren Modelle gerade nach 1970.